O. A. Romero

 

BISS Artikel - Meine Pfadfinderzeit

Meine Pfadfinderzeit - Marco Veneruso

Als ich zehn Jahre alt war, kam ich zu den Pfadfindern. Ich bin Rollstuhlfahrer und wohnte seit meiner Kindergartenzeit im Spastiker-Zentrum am Luise-Kieselbach-Platz in München, nur an den Wochenenden war ich bei meiner Mutter in der Nähe von Dachau. Da es mir wichtig war, nicht nur mit Behinderten zu tun zu haben, wählte ich bei den Pfadfindern einen Stamm, in dem ich der einzige Behinderte war: den Stamm Oscar Arnulfo Romero bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg.



Zweimal die Woche holte mich nun mein Gruppenleiter Martin mit dem Auto vom Spastiker-Zentrum ab und fuhr mit mir zu den Stammestreffen, die in den Räumen der Pfarrgemeinde St. Ignatius stattfanden. Mit den Pfadfindern unternahm ich einige Reisen, darunter auch eine nach Triest in Italien, was mir sehr gut gefallen hatte und woran ich heute noch gern zurückdenke. Wir machten Lagerfeuer, sangen Lieder, und der Zusammenhalt in der Gruppe war sehr gut. Einmal haben mich meine Pfadfinderfreunde sogar mit einem Flaschenzug auf einen Baum hinaufgezogen, und ein andermal bereiteten sie mir eine riesige Freude, als sie mir die Pfadfinderkluft schenkten: ein beigefarbenes Hemd mit dem Abzeichen der roten Lilie und das dazugehörige rote Halstuch. Das war, als ich mit 16 Jahren bei den Rovern, der Gruppe der Jugendlichen, aufgenommen wurde. Die Kluft, die nicht ganz billig war, hätte ich mir sonst nicht leisten können. Mit 17 Jahren war meine Pfadfinderzeit zu Ende. Es war vielleicht die schönste Zeit meines Lebens, und was mich besonders freut, ist, dass ich heute, mit 40 Jahren, immer noch Kontakt zu meinem Gruppenleiter und einem Freund aus meinem Stamm habe.

Der Artikel stammt aus der Schreibwerkstatt der Münchner Straßenzeitung BISS 9/2008.
Mit freundlicher Genehmigung von BISS.