O. A. Romero

 

Pfingstlager in Schweden

Am ersten Tag der Pfingstferien 2012 ist auf dem Kirchparkplatz von St. Ignatius wieder mal einiges los gewesen. Kisten und Säcke wurden herumgetragen, Mütter umarmt und Checklisten durchgegangen. Auf den ersten Blick sah alles aus wie ein ganz gewöhnliches Pfingstlager. Erst bei genauerem Hinsehen sind dem kundigen Betrachter kleine Unterschiede zu dem alljährlichen Procedere aufgefallen: Die Eltern schauten etwas besorgter drein, die Leiter etwas vorfreudiger und die Kinder etwas abenteuerlustiger als sonst. Denn dieses Mal war das Ziel der Reise nicht wie sonst etwa das Münchner Umland, leicht mit der S-Bahn zu erreichen und wohl vertraut. Diese Reise ging weiter, viel weiter, ins mysteriöse Land der Wikinger und Trolle, der Riesen und Götter, der hünenhaften Männer und vollbusigen Frauen aus dem Norden, in das Land der Seen und Wälder unter dem gelben Kreuz auf blauem Grund, ins Land der Schweden.

Während unserer Reise, die fast einen ganzen Sonnenumlauf beanspruchte, merkten wir bereits, wie wir uns veränderten. Unsere Haare wurden länger, unsere Rücken breiter und uns wuchsen zottige, lange Bärte, auch den Mädchen. Als wir angekommen waren, waren wir alle zu gestandenen Wikingern geworden. Kaum ausgestiegen, begannen wir auch schon unser Lager zu befestigen. Die Schlafhütten wurden errichtet, eine Koch- und eine Feuersstelle wurde gebaut sowie ein Schloss für die herrenhaften Wikingerkapitäne.



Auch Jagd- und Fischgründe wurden erkundet, und alsbald erfolgte die Fertigstellung des Dorfes durch den Bau des Schlosses Asgard zu Ehren der alten Götter, das sich an den Weltenbaum Yggdrasil lehnte. Unser Werk war vollbracht, unser Domizil vollendet, und wir benannten es nach der mystischen Welt der Vorfahren, die vor vielen hundert Jahren lebten. Wir gaben ihm den Namen Midgard.




Nun, da unser Lager errichtet und unsere Versorgung gesichert war, begannen wir, die Umgebung zu erkunden. Zu Lande führten uns lange Märsche zu einem uralten Friedhof, auf dem die Riesen hausten, und zu abgelegenen Außenposten früherer Wikingerstämme. Zu Wasser machten wir uns auf die Suche nach fetter Beute für unsere Schatzkammern, und nach langer Fahrt fiel uns ein einsames Gehöft, gelegen an den Ufern der zu unseren gemachten Gewässern, in die Hände.




Doch obgleich uns unser schroffes neues Zuhause alles bot, was wir zum Leben brauchten, hält es einen Wikinger unseres Schlages nie lange an ein und demselben Ort. So packten wir nach gefühlten 7 Sommern unsere nötigste Habe und machten uns auf die lange Reise, denn uns riefen die Hörner der Heimat. Irgendwo auf der Strecke setzte die Verwandlung wieder ein. Aus hünenhaften Helden wurden wieder kleine Pfadfinder, aus kratzbürstigen Kapitänen kratzbürstige Leiter und aus einem plündernd und brandschatzend durch Schweden ziehenden Wikingerhaufen wieder der Stamm O.A. Romero. Kurz bevor die vor Sehnsucht fast verzagten Mütter ihre Liebsten in die Arme schließen konnten, fielen auch den letzten Kindern die Bärte aus den Gesichtern und wichen Tränen der Freude. Nur manchmal, wenn die Nacht kalt und stürmisch ist und man draußen die Riesen brüllen zu hören glaubt, wird der ein oder andere vielleicht doch noch mal zum Wikinger.

Gut Pfad
Christian